Die Welt
Nachdem nun systemische, methodische, und theoretische Gründe für die Replikationskrise diskutiert wurden, endet die Diskussion mit einem allgemeinen und ontologischen Punkt: Die Erwartung, dass sich Befunde wiederholt feststellen lassen müssen beruht auf der Annahme oder Theorie, dass die Welt – oder zumindest die jeweils in der Wissenschaft untersuchte Gesetzmäßigkeit – stabil ist. Bei fluktuierenden Mustern in der Welt oder im menschlichen Verhalten sind Replikationsfehlschläge wenig überraschend. Für die Psychologie hat beispielsweise Smedslund (2015) kritisiert, dass diese Annahme falsch ist und hat diese Historizität als einen der Gründe angeführt, weshalb Psychologie keine Naturwissenschaft sein kann. Ähnlich argumentierte ebenfalls Gergen (1973). Beide Sichtweisen haben ihren Ursprung möglicherweise in der Grundlagendiskussion der Psychologie: Anfang des 20. Jahrhunderts, als die Psychologie sich langsam von der Philosophie distanzierte und vermehrt empirisch (also durch Beobachtungen statt nur Überlegungen) arbeitete, unterteilte Dilthey und Riedel (1970) Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften dahingehend, dass in es in den Naturwissenschaften nicht um das Nacherleben und Begreifen nachrangig sind und es um abstrakte und allgemeine (nomothetische) Gesetzmäßigkeiten geht. Geisteswissenschaften hingegen betrachten Vorgeänge in einem konkreten und einzigartigen (idiographischen) Zusammenhang mit allen dazugehörigen Besonderheiten. Es etablierte sich langfristig der naturwissenschaftliche Ansatz, der bereits 50 Jahre zuvor fruchtbare Erkenntnisse lieferte (Fechner 1860).
Eine besondere Rolle beim Verallgemeinern von einzelnen Beobachtungen auf allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten spielt auch der Zufall. Das Besondere bei statistischen Methoden ist beispielsweise, dass die Unsicherheit als Zahl ausgedrückt wird und damit quantifiziert wird. Die wichtige Frage im Rahmen von Replikationsproblemen ist, ob die Unterschiede zwischen Befunden zufällig oder aufgrund irgendwelche Unterschiede entstanden sind. Diese zwei Arten des Zufalls werden als ontologischer und epistemischer Zufall bezeichnet. Ontologischer Zufall bedeutet, dass ein einfach keinen Grund gibt, während wir ihn beim epistemologischen Zufall bloß nicht kennen. Der Ausgang bei einem Münzwurf, also ob die Münze auf Kopf oder Zahl landet, ist beispielsweise ein Fall epistemischen Zufalls: Würden wir alle wichtigen Parameter kennen (Höhe der Hand, Stärke des Wurfes, welche Seite beim Werfen oben liegt, usw.), könnten wir eindeutig vorhersagen, wie die Münze landet. Übrigens landen faire Münzen meistens auf der Seite, mit der sie gestartet sind (Bartoš u. a. 2023).